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Frank Ramond im Interview mit Musikmarkt: "Ein Musical wird nicht geschrieben, es wird umgeschrieben"

Posted by admin (admin) on 06.08.2014 at 07:54
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Frank Ramond im Interview mit Musikmarkt: "Ein Musical wird nicht geschrieben, es wird umgeschrieben"
 

Frank Ramond zeichnet für die Texte des neuen Stage-Entertainment-Musicals "Das Wunder von Bern" verantwortlich (Foto: Det Kempke)

 

 

 

Frank Ramond und Martin Lingnau schrieben für "Das Wunder von Bern" über 60 Songs – davon schafften es lediglich 25 ins Stück (Foto: Holger Kersting)

 

 

Im November feiert das Familienmusical "Das Wunder von Bern" in Hamburgs neuem Musical-Venue Theater an der Elbe Premiere. Das von Stage Entertainment produzierte Stück basiert auf Sönke Wortmanns gleichnamigem Kinofilm. Erzählt wird eine Vater-Sohn-Geschichte im Jahr 1954. Vor dem Hintergrund der Fußball-Weltmeisterschaft geht es um eine Familie, die sich findet, eine Mannschaft, die über sich hinaus wächst und einen kleinen Jungen mit großen Träumen. Als Texter wurde Echo-Preisträger Frank Ramond, als Komponist Martin Lingnau engagiert. "musikmarkt" beantwortete Frank Ramond per E-Mail einige Fragen zur Entstehung der Songs von "Das Wunder von Bern".

 

musikmarkt: Ist "Das Wunder von Bern" Ihr erstes Musical?
Frank Ramond: Nein, aber es ist mein erstes "großes" Musical. Ich habe vorher bereits mit dem Comedian Marco Rima das Musical "Die Patienten" und im Schauspielhaus in Hamburg mit meinem Kollegen Martin Lingnau "Peter Pan" mitgeschrieben.


musikmarkt: Wie haben Sie reagiert, als Sie für ein Musical angefragt wurden?
Frank Ramond:
Ich war außerordentlich erfreut, von Stage Entertainment angefragt zu werden, weil ich bereits seit fünf bis sechs Jahren versucht hatte, in diesem Bereich Fuß zu fassen. Mit Michael Hildebrandt hatte ich schon vor etwa vier Jahren Gespräche geführt. Ich wurde daraufhin von Stage Entertainment auch für ein anderes Musical als Übersetzer getestet. Und jetzt freue ich mich natürlich sehr, dass es mit "Das Wunder von Bern" nicht nur geklappt hat, sondern wir auch noch die Ehre haben, das neue Theater an der Elbe einzuweihen.


musikmarkt: "Das Wunder von Bern" feiert im November 2014 Premiere. Wie lange haben Sie an den Songs gearbeitet?
Frank Ramond:
Martin Lingnau und ich haben, mit Unterbrechungen, etwa zwei Jahre lang daran gearbeitet.


musikmarkt: Wovon ließen Sie sich inspirieren – abgesehen von Sönke Wortmanns Film?
Frank Ramond:
Die Frage war: Wie klingt Fußball? Wie klingt der Ruhrpott – das Stück spielt ja vorwiegend in Essen – und aus welcher Zeit nehmen wir den Sound, 1954 oder heute? Wir haben uns dann entschieden, bis auf ein paar Szenen, in denen die Musik tatsächlich Teil der Handlung ist – etwa wenn der große Bruder unserer Hauptfigur mit seiner Rock'n'Roll-Band auftritt – einen modernen Pop/Rock-Sound zu wählen. Und in Sachen Fußball und Ruhrpott waren wir natürlich schnell bei Herbert Grönemeyer, Stoppok und Co. Also haben wir beschlossen, dass es ein erdiger, stählerner und ehrlicher Sound von heute sein sollte mit einem natürlichen umganssprachlichen Text.


musikmarkt: Sie arbeiteten mit Martin Lingnau als Komponist zusammen. Können Sie den Arbeitsprozess beschreiben? Was ist zuerst da, Melodie oder Text?
Frank Ramond:
Die Frage "lyrics first" oder "music first" ist in der Tat entscheidend, gerade bei einem Musical. Die Musik hatte Vorrang, wenn es darum ging, szenische Nummern zu schreiben, sprich vertonte Dialoge. Da gibt es keine "Hit-Zeile", die eingebettet werden muss. Wo eine Hookline gebraucht wurde, bei den eher Arien-artigen Nummern etwa, haben wir uns immer erst auf die Hook-Zeile geeinigt, bevor Martin zu komponieren begann. Bei einigen wenigen Songs hat er mich sogar gebeten, ihm einen kompletten Text vorzulegen.


musikmarkt: Es gibt deutsche und englische Songs im Musical. Was gilt es zu beachten, um sie singbarer, flüßiger zu machen?
Frank Ramond:
Es gibt einen einzigen englischen Song im "Wunder von Bern", den oben erwähnten "Rock'n'Roll Rebell", alle anderen sind auf Deutsch. Es gilt das, was beim Liedtexten auf Deutsch immer gilt: Achte auf die Zischlaute.


musikmarkt: Insgesamt sind 60 Lieder entstanden, nur 25 schafften es ins Stück. Nach welchen Kriterien wurde "aussortiert"?
Frank Ramond:
Martin Lingnau, der ja schon sehr erfahren in diesem Genre ist, hat mir erklärt: Ein Musical wird nicht geschrieben, es wird umgeschrieben! Die meisten Songs, die rausfliegen, sind quasi die Späne der Feinschliffe an der Dramaturgie. Alles dient der Geschichte und was sie bremst oder nicht weiterbringt, fliegt gnadenlos raus.


musikmarkt: Worauf müssen Sie als Texter beim Songwriting eines Musicals besonders achten? Wo liegen die Schwierigkeiten?
Frank Ramond:
Als Textdichter eines Musicals bin ich in erster Linie der Geschichte verpflichtet. Das heißt, ich muss über weite Strecken szenisch texten. Die Informationen, die der Zuschauer braucht, um der Handlung folgen zu können müssen zu 100 Prozent in die Texte rein und das stellt eine echte Herausforderung dar, wenn man dafür nur eine begrenzte Anzahl an Zeilen hat. Bei den Songs dürfen sich die Refrains, wie bei Popsongs üblich, textlich nicht wiederholen, weil sonst die Bühnenhandlung "steht".


musikmarkt: Sie schrieben bereits Songs für ihre eigenen Alben sowie für Künstler wie Roger Cicero, Ina Müller und Udo Lindenberg. Wie unterscheidet sich die Arbeit an einem Musical?
Frank Ramond:
Wenn ich einen Popsong schreibe, bin ich in jeder Hinsicht künstlerisch frei. Das Lied muss lediglich in sich stimmig sein. Bei einem Musical ordnet sich, wie gesagt, alles der Handlung unter.


musikmarkt: Wie wichtig schätzen Sie Musical-Soundtracks ein? Es ist ja im Grunde genommen eine Form der Live-Unterhaltung, die auf CD festgehalten wird.
Frank Ramond:
Ich habe mir sagen lassen, dass sich einige Musical-Alben um die 80.000 Mal verkauft haben sollen. Das sind zahlen, über die sich mancher Major-Act heutzutage freuen würde.

 

Hintergrund


Mit weltweit 26 Theatern und 14 Millionen Zuschauern pro Jahr ist Stage Entertainment das nach eigenen Angaben "größte Live-Entertainment-Unternehmen der Welt". Stage Entertainment wurde 1998 von Joop van den Ende in den Niederlanden gegründet. Heute ist Stage in acht Ländern aktiv und beschäftigt weltweit rund 3500 Mitarbeiter, davon allein in Deutschland ca. 1700.


Mit "Das Wunder von Bern" schließt Stage Entertainment an eine Reihe von Eigenproduktionen, darunter "Ich war noch niemals in New York", "Hinterm Horizont" und "Rocky" an. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz verwies bei der Bekanntgabe des neuen Stückes auf die Bedeutung der Musicals für Hamburg: "Bereits jetzt ist Hamburg der drittgrößte Musical-Standort der Welt. Das wirtschaftliche Engagement von Stage Entertainment hat eine große Wirkung auf unsere Stadt: Mehrere Millionen Musical-Besucher pro Jahr übernachten hier, gehen shoppen oder besuchen weitere kulturelle Einrichtungen. Mit "Rocky" ist der allererste Export eines hier entwickelten Musicals an den New Yorker Broadway gelungen."

 


Autor: Renzo Wellinger
Quelle: Musikmarkt - 01.08.2014

 

 

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