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Jürgen von der Lippe - Im Interview mit SONY zum neuen Album „So geht’s“ (Doppel-CD)

Posted by admin (admin) on 14.09.2011 at 09:39
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Jürgen von der Lippe - Im Interview mit SONY zum neuen Album „So geht’s“ (Doppel-CD)


Das neue Programm heißt „So geht´s“. Endlich verrätst Du uns, wie es geht, wie mache ich ein Comedy-Programm. Das ist ja ungefähr so, als würde Coca Cola sein Betriebsgeheimnis verraten. Ist das die Offenbarung von Jürgen von der Lippe?
- Nein. Das ist nur ein Vorwand, um mir die Möglichkeit zu geben, mich ständig von den Nummern, die es ja nach wie vor sind, zu distanzieren. Das schafft das, was wir im Gewerbe gerne Fallhöhe nennen.


Es ist also gar keine Gebrauchsanweisung, die man auch umsetzen kann?
- Es ist teilweise durchaus eine Gebrauchsanweisung. Nur kann man diese Gebrauchsanweisung nicht gebrauchen, denn es gibt keine Gebrauchsanweisung für Comedy. Es gibt im Grunde nur nachträgliche Beschreibungen. In wieweit die dazu geeignet sind, um Comedy herzustellen, darf bezweifelt werden.


Zielgruppe ist diesmal das ältere Publikum? ...
- Nein. Das ist ja das Schöne an dem Trick: Diese angebliche Einschränkung auf das ältere Zielpublikum. Das wirkt wie ein Türsteher vor einer Szenedisko. Es macht die jungen Menschen neugierig. Denn überall dort, wo es verboten ist, will man ja rein.


Angenommen, älteres Publikum  fühlte sich doch davon angesprochen. Wie geht das denn, dass man im Alter seinen Humor bewahren kann?
- Dass ist nicht mein Problem. Denn a) bin ich noch nicht alt, b) hab ich Humor und die Anderen müssen sehen, wie sie klar kommen.


Wenn Du Dir jetzt auf der Bühne eine Lieblingsfigur von Deinen vielen Rollen, die Du darstellt, aussuchen könntest, wer würde Dir am nächsten stehen?
- Es ist in allen Figuren natürlich von einem selbst etwas drin. Aber das wäre eine Aufgabe für Psychologen, das heraus zu finden. Und da wir ja nicht auf der Couch liegen, werden wir beide das nicht ergründen. Aber alle Figuren haben natürlich meine Sympathie, auch die neue Figur, der „fiese Opa“. Ich würde so sagen: Es ist eine Figur, in die hinein zu wachsen ich mich in den nächsten Jahren nach Kräften bemühen werde.


Der Saal ist voll. Du hast es raus, ein erfolgreiches Bühnenprogramm zusammen zu stellen. Kannst Du den Leuten ein bisschen verraten, wie so etwas funktioniert?
- Ja, das mache ich in diesem Programm ja eigentlich. Deshalb heißt es ja: ein Comedy-Crashkurs. Also wenn die Frage darauf abzielt, wie man es schafft, über ungefähr 40 Jahre diesen Beruf auszuüben, dann würde ich das wie folgt beantworten: Man muss einmal diese kleine Störung haben, die wir alle innehaben. Mit wir meine ich „Histrioniker“, das ist der Fachterminus, den die Psychologie für uns Gestörte gefunden hat. Also Menschen, die ein bisschen mehr Exhibitionismus haben als andere, die ein größeres Harmoniebedürfnis haben, die den ständigen und nicht zu stillenden Wunsch nach Bestätigung spüren. Und wenn das der Fall ist, dann sollte man sich für eine Fachrichtung entscheiden. Das ist in meinem Fall Comedy, und zwar die Bühnen-Comedy. Ich kann nicht genug davon bekommen, Menschen, die vor mir sitzen, zu erheitern. Das wird auch nicht langweilig. Und dann sollte man, das kann nicht schaden, sehr neugierig auf das sein, was Kollegen machen. Man sollte immer bemüht sein, seine Palette an Wirkmöglichkeiten zu erweitern. Wenn man das dann alles beherzigt, dann hält man sich einige Jahre.


Wie lange brauchst Du für so ein Programm? Wie lange schreibst Du, denkst Du und konzentrierst Dich auf so ein Ding?
- Ich fange an, während ein aktuelles Programm läuft. Also im Grunde habe ich drei Jahre Zeit, weil ich auch ungern am Stück schreibe. Ich habe jetzt zwar zum ersten Mal in vierzehn Tagen ein Theaterstück geschrieben, aber das war mir aber neu, dass das klappt. Ich lasse mir zwischendurch Zeit für etwas Anderes, um auf andere Gedanken zu kommen. Es gibt Kollegen, die setzen sich hin und ruhen nicht eher, bis sie fertig sind. Ich habe mir eine andere Arbeitsweise angewöhnt. Beides ist natürlich eine Frage der Mentalität.


Und dann hast Du wieder eine Sache fertig und denkst, das ist ein Knaller. Gibt es jemanden dem Du das vorführst, um zu testen, ob das läuft? Oder wie findest Du das heraus?
- Nein, das kann man ja niemandem vorführen. Die Bedingungen, wenn man das einem Menschen vorspricht, sind ja ganz andere als in einem Saal voller lachbereiter Menschen aufzutreten. Man darf nicht unterschätzen, dass man anfangs im Grunde nur auf seinen Bauch vertrauen kann. Da gibt’s dann beim Schreiben so eine Art Gewissheit, dass eine Nummer sehr gut funktionieren kann. Aber auch den Fall, dass da gar keine Gewissheit ist, sondern nur Zweifel, gibt es. Man erlebt gute und manchmal auch nicht so gute Überraschungen. Auch da muss man durch. Das Ganze ist immer "try and error".


Wie gehst Du vor? Du hast einen tollen Gag, Du sagst, den finde ich jetzt so richtig spitze, aber es will nicht jeder darüber lachen? Kannst Du Dich dann davon trennen oder schreibst Du den einfach um?
- Nein. (lacht…) Also, wenn es jetzt nicht eine tragende Wand im Text ist, dann lass ich ihn drin, aus Trotz, weil er mir gefällt. Und ich denke: In jedem zweitausender Saal wird es ein, zwei Leute geben, die das zu schätzen wissen. Für die muss man auch was tun.


Wenn das Programm ein paar Jahre läuft: Wie sehr kann man es am Ende noch erkennen?
- Es verändert sich ständig. Es ist wie Holz, das auch arbeitet. Man geht auf die Bühne und plötzlich kommt von irgendwo her eine neue gestalterische oder eine textliche Nuance. Ich habe ja auch so ein paar Stellen, wo ich tagesaktuell arbeiten kann. Das ist ein großer Teil des Vergnügens, die Nummern ständig zu optimieren. Aus diesem Grund finde ich es ein bisschen schade, zu einem frühen Zeitpunkt die CD oder eine DVD aufzunehmen, weil ich weiß, das Programm wird sich im nächsten Jahr so weiterentwickelt haben, dass es mir noch besser gefällt als heute. Es reift alles.


Wenn Du jetzt auf Welttournee gehst, dann bist Du im Norden, im Süden, im Osten und im Westen – das sind nun mal ganz unterschiedliche Mentalitäten. Bedienst Du dann alle unterschiedlich?
- Das ist der große Irrglaube. Es gibt überhaupt keine unterschiedlichen Mentalitäten. Man merkt es vor allem dann, wenn man in einem Ort en suite spielt. Da ist kein Abend wie der andere. Es gibt ganz wenige Orte, wo ich sagen würde: Hier geh ich nicht mehr hin, hier sind sie mir echt zu doof – und ich sage auch nicht welche Orte das sind (lacht...). Aber es gibt sie! Die gibt’s auch überall, das ist ja der Witz. Diese Schubladen, der Westfale ist träge, der Hanseate ist zurückhaltend kühl, der Rheinländer ist immer fröhlich – das ist Quatsch. Das stimmt auch allein deshalb nicht, weil das Publikum speziell durch die privaten TV Sender viel Gelegenheit hat, gute und Spitzen-Comedy zu sehen, so dass eigentlich jeder weiß, was möglich ist. Da gibt es keine Informationsrückstände mehr wie früher, als man noch gesagt hat: Naja, Provinz. Wenn man dort in die Halle kam und das Gästebuch vor sich liegen sah, wo nur Volksmusik-Acts oder ab und zu mal ein altes, verschnarchtes Boulevard-Stück drin waren, dann wusste man: Na ja, hier musste mal zehn Minuten länger machen, bevor die wissen, worum es geht. Das stimmt alles nicht mehr.


Bei den vielen Nummern merkt man so ein bisschen, dass Du sehr feinsinnig beobachten kannst. Bist Du ein Kaffeehauschreiber, der immer Menschen braucht, die er sieht. Oder bist Du jemand, der sich zurück zieht und sich das vor dem geistigen Auge vorstellt?
- Ich setze mich gerne irgendwo mit Blick auf die Leute hin. Ich fahre auch oft mit der Bahn, was ich sehr genieße. Da hört man alles Mögliche: Eine Mutter, die am Telefon mit ihrer Tochter offensichtlich über deren Stillschwierigkeiten spricht. Oder was sich Schalkefans vornehmen, den Dortmundfans anzutun beim nächsten Heimspiel ... All so etwas kriegt man ja nur mit, wenn man in Hörweite von anderen Leuten ist.


Jürgen, Du als Multitalent: Ist das gut alles zu können, sich nicht zu spezialisieren? Bisschen Fernsehen, bisschen Hörbuch, bisschen Bühne. Gibt es die Mischung, die Dir die Kreativität aus dem Leib zieht?
- Ich glaube, das muss jeder für sich entscheiden, ob er neugierig darauf ist, auf verschiedene Art und Weise andere zu unterhalten. Oder ob er sich auf etwas beschränkt und sagt: Nee, ich mach das, was ich wirklich gut kann. Mir macht es nichts aus zu dilettieren. Ich will einfach wissen, inwieweit ich so was dann auch kann. Ich versuche aus allem, was ich sehe, einen Nutzen für mein Bühnen-Entertainment zu ziehen. Aber selbst ich habe da Grenzen im Bereich des Synchronschwimmens und des Ausdruckstanzes. Wobei, ich habe mir jetzt ein neues Tanzsportvideo mit südamerikanischen Moves bestellt. Ich mach auch mit meiner Frau Line Dance… also sie mit mir, weil sie da so eine Gruppe hat. Und das werde ich zum Beispiel in meinem Theaterstück unterbringen. Es gibt also keine Berührungsängste vor irgendeiner Disziplin.


Das zeichnet Dich aus. Aber man fragt sich: Wenn Du alles machst und dauernd was machst, wie lädst Du Deinen Akku wieder auf?
- Interviews! (lacht…) Interviews sind eine Sache, die ich wahnsinnig genieße. Da kann ich mich entspannen. Deswegen sehe ich auch zu, dass kein Abend vergeht, wo ich nicht eins vor dem Auftritt machen kann (lacht...)


Gut, dass ich da bin. (lacht…) Ich habe damals gesehen, dass Du nebenbei angefangen hast, Klavier zu lernen. Gibt es denn Neugierde auf weitere Instrumente?
- Na, mit Klavier und Saxophon ist man ja erst mal ausreichend beschäftigt. Und speziell das Saxophon eignet sich nicht, um es auf Tournee mitzunehmen und in der Garderobe zu üben. Auf der Schallisolierung von Garderoben lag nicht das Hauptaugenmerk der Erbauer von Stadthallen.


Gab es Beschwerden aus den anderen Garderoben?
- Nein. Aber es ist schon furchtbar (lacht...)


Neben dem geschliffenen Wort spielt Musik eine wichtige Rolle für dich.
- Absolut, als Konsument und auf der Bühne natürlich auch. Aber auch als Freizeithausmusiker, also wo immer ich Leute finde, die auch gerne singen. Man hat ein Repertoire von einigen hundert Songs, mit denen man aufgewachsen ist. Vorwiegend aus dem Folkbereich oder Country, da bin ich für jede Schandtat zu haben. Ich werde auch in naher Zukunft mal so ein Oldieprogramm für die Bühne machen; mit all den alten Songs, die ich mag.


Eine ganz offene Frage: Was wünschst Du Dir für Deinen weiteren Lebensweg?
- Gesundheit, Weltfrieden, immer Strom, Wasser, Gas und ... Ich wünsche mir insbesondere - ich nehme ja gerade stark ab - dass ich an den Wunschpunkt von 85 Kilo komme, wo ich dann eines Tages sagen werde: So, das hab ich jetzt erreicht und jetzt kann ich nach 17 Uhr auch eine Pizza essen.


Das sind jetzt sehr reale Dinge und Du bist auch sehr schmal geworden. Aber jetzt mal so Wünsche und Träume...
- Das ist ein Traum. Ein Mensch, der so gerne Pizza ist, wie ich, für den ist das ein Traum. Was meintest Du mit Träumen?


Na die Dinge, von denen man nicht weiß, ob sie jemals in Erfüllung gehen werden. So entfernte Wunschträume, die man in seinem Leben aber gerne hätte, auch wenn sie vielleicht gar nicht so real greifbar sind.
- Also weniger Interviews. Das wäre so etwas, aber man weiß, das wird nicht sein.


Ich habe noch ein paar kleine Fragen: So kleine Statements zu einzelnen Nummern aus dem Programm. Ich würde gerne vorne anfangen: Opening ist ja so was: Vorhang auf, raus, der erste Gag muss sitzen. Gibt es die Sorge, dass der erste Gag nicht sitzt? Oder macht man den ersten Gag so sicher, dass er auf jeden Fall funktioniert? Wie ist das bei Dir.
- Na, in dem Programm wird ja erst mal erklärt, was passiert. Normalerweise, da gebe ich Dir recht, sollte das schnell gehen. Es ist aber so, dass man sich gerade beim Opening auch viel Zeit lassen kann. Die Gefahr besteht ja auch anders herum, dass man beim Opening vorlegt, Lacher im Fünf-Sekunden-Takt holt oder auch Brüller, dass der ganze Saal aufheult. Das kann auch dazu führen, dass die Leute entweder schnell ermüden oder dann alles, was danach kommt, auch nicht mehr so toll finden. Ich persönlich bin auch ein Freund von einem overwhelming Anfang. Aber es ist nicht schlimm, wenn man ein bisschen betulich anfängt, um sich dann stetig zu steigern. Wichtiger ist ein ganz starker Schluss, damit die Zugaben kommen.


Es geht dann mit einem Liedchen weiter. Ich wusste gar nicht, dass Du auch jodeln kannst.
- Ich konnte als Kind schon jodeln. Weil ich Frank Ifield Fan war. Das ist dieser Vertreter des australischen Countrysongs: (jodelt...) Das hab ich mit zwölf schon gehört.


Ach. Hab ich nie gehört von Dir. Hast Du das schon öfters mal eingesetzt?
- Nein. Das Lied ist relativ alt, aber diesen Jodler in der Version hab ich mir für dieses Programm ausgedacht.


Witzig.
- Doch. Ich hab im letzten Programm auch gejodelt. Was war das für eine Stelle? Beim Orgasmus, ja. Relativ am Ende des Programms. Wir sprachen ja schon drüber, dass das Programm sich verändert.


Das knistert so, dann verpasst man das.  Findest Du Geschichten für Dein Programm oftmals in Zeitungen?
- Absolut, ganz normal, das machen alle so. Politische Kabarettisten sowieso. Deswegen gehe ich so gerne aufs Vermischte. Weil das so in die Richtung „Nutzloses Wissen“ geht. Das sind auch Fundorte für viele Themen. Es sind einfach so bizarre Meldungen aus dem Tierreich oder was weiß ich. Es gibt zum Beispiel Grillenweibchen, die ihre Männchen nach dem Sex markieren, damit sie sich nicht aus Versehen ein zweites Mal mit ihnen paaren. Da sagt man dann: Das sind die 68er unter den Insekten. Das ist also eigentlich eine sehr schöne Geschichte, um schöne, schnelle, kurze Gags zu kriegen.

Gibt’s da spezielle Zeitungen, die Du ganz gerne liest?
- Nein. Bild ist klar. Aber in der Welt kompakt findet man auch relativ viele. In der Süddeutschen wird man auf der Panoramaseite fündig. Beim Spiegel ist es speziell für Sprachliebhaber der HohlSpiegel mit den Fehlleistungen. Man findet das eigentlich überall. Ganz toll sind auch die Regionalzeitungen, die ja so ganz abstruses Zeug aus der Region bringen. Kürzlich las ich, dass irgendwo auf dem Dorf 60 Gullydeckel und irgendwelche Eisenstutzen in einer Nacht geklaut wurden. Der Schrotthändler zahlte 100 Euro pro Gullydeckel und wurde ertappt,... weil er Buch führte.


Der Kühlschrank: Bis du Max Raabe Fan? Kommen da die 20er Jahre rein?
- Nein, das ist auch ein älteres Lied. Das war auf einer Studio LP. Das habe ich nie live gemacht. Der Witz ist, dass ich voriges Jahr mit einem Freund auf Mallorca war, wo es eine Enklave von ehemaligen Sportstudenten der Kölner Uni gibt. Da wohnt z.B. auch Kafi von den Bläck Fööss und auch ein ehemaliger Dozent der Sporthochschule, der auch Platten gemacht hat. Wir haben da eine Nacht verbracht, und sitzen am Lagerfeuer und singen - das war wunderbar. Auf einmal stimmt dieser ehemalige Dozent ein Lied an und ich denke: Moment mal, das kenn ich doch? Das war „Mein Kühlschrank“. Ich fand das so toll und so ist das jetzt in dieses Programm geraten.


28.5.2011, Krefeld - Sony Music Entertainment GmbH


Quelle: Sabine Rothmair - Online Promotion Ariola / Sony Music Entertainment Germany GmbH - 25.08.2011

 

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