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Manfred Krug lässt das Singen nicht

Posted by admin (admin) on 18.02.2012 at 08:51
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Manfred Krug lässt das Singen nicht
 

Manfred Krug live im Berliner Admiralspalast (Foto: Gunnar Leue)


Von der Schauspielerei hat sich Manfred Krug vor etlichen Jahren verabschiedet, um sich dem verdienten Rentnerleben hinzugeben - das tut er auch einigermaßen konsequent. Von seiner zweiten Profession als Sänger kann er jedoch nicht ganz lassen. Kürzlich trat er zum Beispiel im Berliner Admiralspalast auf, gemeinsam mit der Jazz-Sängerin Uschi Brüning. Die Liaison kommt nicht von ungefähr, denn beide kennen sich lange. Krug hat eine mindestens so interessante Laufbahn als Sänger wie als Schauspieler.


Das Gesangstalent von Manfred Krug deutete sich früh an, wenngleich sein Vater es als belanglos abtat. "Gut bist du nur in Deutsch und Singen. Damit ist kein Blumentopf zu gewinnen", zitiert ihn der Sohn in seiner wunderbar geschriebenen (sein drittes Talent) Autobiografie "Mein schönes Leben". Der Vater, ein Ingenieur, hätte seinen Jungen, mit dem er aus Duisburg 1949 nach Ostdeutschland übersiedelte, gern in seinen Fußstapfen gesehen. Tatsächlich wurde Manfred Krug zunächst Stahlkocher. Bald entdeckte er jedoch die Schauspielerei für sich und avancierte zum DEFA-Filmstar. Zudem zog es ihn frühzeitig auch auf die Gesangsbühne. Bis 1977, als er sich nach einem Teilberufsverbot zur Ausreise entschloss, gehörte er zu den renommiertesten Sängern in der DDR. Einen Namen und viele Freunde hatte er sich vor allem durch seine im besten Sinne eigenartigen Songinterpretationen gemacht: oft internationale Traditionals mit Krug-Texten sowie Kompositionen von Günther Fischer, dem bekanntesten ostdeutschen Jazz-Komponisten, der u.a. auch Musik für Hollywood-Filme schrieb (z.B. "Just A Gigolo" mit David Bowie und Marlene Dietrich).


Ob Blues, Spirituals, Volks- oder Arbeiterlieder, Protestsongs, Heine-Lieder oder Schlagerchansons - es gibt nichts, was der Mann ausließ. Sowohl die Stile als auch die Originalität betreffend. Einerseits gelang es ihm, mit seiner spröden Stimme internationalen Songs eine besondere Note zu geben ("Let It Be" von den Beatles oder "Que sera"). Andere Lieder wiederum bezeugten lediglich die Kühnheit, mit der Krug sich schamlos tölpelhafter Romantik hingab. Der Bursche war eben auch musikalisch ein Tausendsassa. Sein Motto: Probieren geht über studieren. Auf die Begeisterung kommt es an - und manchmal auch auf die Haltung. Bei Krug bekamen alle Wichtigtuer ihr Fett weg, so wenn er sang: "Die Moralisten müssten auch twisten, weil das so Spaß macht."


Ebenso kritisch sang er über die Amerikaner als Weltpolizisten in "Yankee-Kreuzer unterwegs" oder über Präsident Johnson im "Vietnam-Song". Die Politsongs nahm Krug übrigens meist nachts im DDR-Rundfunkstudio auf, wenn ein paar Komponisten und Texter "mal eben ein paar Songs für das nächste Politkabarett im Radio schrieben". Sein Sänger-Lohn dafür waren 150 Mark. Sodann sei er wieder "nach Hause in die Koje, nachdem ich den Imperialisten bis zum frühen Morgen anständig den Marsch geblasen hatte. Das war Feeling."


"Manne" Krug, wie ihn seine Fans zu nennen pflegen, hatte eben ein besonderes Feeling, um sein Faible für Jazz auszudrücken. Dazu passt, dass ihm seine Gesangslehrerin in Anbetracht seiner wenig erbaulichen Stimme einst vom Jazzgesang abgeraten hatte, natürlich vergeblich. Krugs Enthusiasmus für den Jazz ging damals soweit, dass er einem hohen Funktionär mit einem Tonband voller Jazzhits bis ins DDR-Staatsratsgebäude folgte, um ihm den Hass auf die amerikanische Musik auszutreiben. Natürlich war der Apparatschik nicht zu bekehren. Krug selbst jedoch ebenso wenig.


Vor allem die von 1971 bis 1975 erschienen vier Amiga-LPs des Gespanns Günther Fischer/Manfred Krug brachtem Letzterem bei Kennern den Ruf eines der besten deutschen Jazzsänger ein. Trotz 100.000er Auflagen wurden die Amiga-Platten für abnorme Summen schwarz gehandelt. Schon in den 1960ern hatte das Mitschnitt-Album "Jazz-Lyrik-Prosa", auf dem Krug mit den Jazz-Optimisten Berlin singt und witzigspitzige Texte rezitiert, Kultstatus erlangt. Überdies brachte er sogar eine Platte mit Liedern des schwedischen Nationaldichters Carl Michael Bellmann ("Fredmanns Episteln") heraus.


In der Bundesrepublik stießen die Sangeskünste des übergesiedelten Ost-Stars zunächst auf wenig Begeisterung beim Publikum. Das 1979 erschienene Album "Da bist du ja" mit der Big Band von Peter Herbholzheimer und Gastauftritten von Caterina Valente und Joy Fleming erhielt zwar Kritikerlob, aber auch den Stempel als kommerzieller Flop. Nach der Wende wurden Krugs neu aufgelegte Platten deshalb vor allem im Osten gekauft. Die CD "Jazz-Lyrik-Prosa" gar oft, dass die Produktion 1998 für 30.000 Verkäufe mit dem Jazz-Award der Deutschen Phono-Akademie ausgezeichnet wurde.


Gesamtdeutschen Erfolg erzielte er hingegen als singender "Tatort"-Kommissar mit seinem Duettpartner Charles Brauer. Seine Begeisterung für gewitzte deutschsprachige Schlagermusik der 30er und 40er Jahre veranlasste ihn außerdem zu einem Albumprojekt mit Till Brönner. Eine weitere CD spielte er zusammen mit seiner Tochter Fanny ein. Die Lust am Singen scheint auch in seinem am 8. Februar beginnenden 76. Lebensjahr nicht zu verfliegen, wie Krugs Tourplan belegt. Was seine eigenen Qualitätsansprüche betrifft, hat er mal gesagt: "Je älter ich werde, desto schlechter singe ich, und je schlechter ich singe, desto besser muss die Musik sein." Seine Abneigung gegen schlechte Musik kann man ihm glauben. Dass er im Alter ein immer schlechterer Sänger geworden ist, sollte man freilich nicht wörtlich nehmen.


Autor: Gunnar Leue

Quelle: Musikmarkt - 08.02.2012

 

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