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Peter Maffay im Interview mit MUSIKMARKT - "Die Ticketentwicklung ist zu beklagen"

Posted by admin (admin) on 15.06.2013 at 01:35
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Peter Maffay im Interview mit MUSIKMARKT - "Die Ticketentwicklung ist zu beklagen"


Peter Maffay spricht im Interview mit MUSIKMARKT u.a. über die steigenden Ticketpreise (Foto: Olchewski)


Seit Mitte Mai bis Ende Juni ist Peter Maffay mit seiner Band auf "Extratour" unterwegs. Im Vorfeld traf "Musikmarkt" Peter Maffay zum Interview und sprach mit ihm über die neue Tournee, "Tabaluga", seinen Sieg beim PRG LEA 2013 sowie die Entwicklung der Live-Branche in den letzten Jahrzehnten.

 

Musikmarkt: Ab Mitte Mai sind Sie schon wieder unterwegs – was können Fans von der "Extratour" erwarten?
Peter Maffay: Wir werden "Tattoos" nicht wiederholen, "Tattoos" war ein Best of mit Orchestergedöns. Jetzt sind wir alleine und werden deswegen ein wenig lauter spielen müssen. Wir spielen die Songs, die wir sonst zugunsten der Gassenhauer nicht so oft oder gar nicht gespielt haben. Laith Al Deen ist unser Gast, da freue ich mich sehr darauf. Das wird wohl zu etlichen Akustik-Songs führen, aber auch er mit seinem Repertoire. Es gibt den ein oder anderen bekannten Song von uns, den wir trotzdem spielen werden, damit sich die Gemüter beruhigen. Und dann würden wir gerne zwei, drei Songs ausprobieren von dem Album, das wir gerade machen, einfach um zu sehen, wie die ankommen. Das ist eine Tour, die sehr kurz nach "Tabaluga" kommt, und insofern könnte man sich fragen, wieso die Eile. Aber wir spielen halt gerne und es ist wichtig für uns, dass wir raus gehen. Auch ein halbes Jahr kann so viel Abstand zu vielem erzeugen, zu den Menschen, zu unserer Arbeit. Wenn wir im Herbst ins Studio gehen, möchte ich, dass wir einigermaßen fit sind. Ich hab's beim Soundcheck eben genau gemerkt, ich bin seit dem 20. Dezember von der Bühne runter und hab oft genug die Möglichkeit gehabt, mich auf der Bühne auszutoben. Und dann sitzt man da oben und hat die Gitarre in der Hand und sitzt da wie der erste Mensch und merkt, das klingt irgendwie klemmig und komisch und die Finger gehen nicht und die Stimme kratzt. Das ist wie wenn man nicht trainiert. Und außerdem ist spielen einfach geil. Es gibt Leute, die spielen 'ne megamegamäßige Tour mit megamäßig vielen Leuten pro Konzert und spielen dann sieben Jahre lang nicht – was macht man in dieser Zeit? Ich fische nicht, ich habe keine Briefmarkensammlung... deswegen spiele ich.


Die Ticketpreise für die "Extratour" sind vergleichsweise günstig – ist Ihnen das wichtig?
Ich finde die Ticketentwicklung ist zu beklagen. Ich finde Tickets sind unwahrscheinlich teuer geworden. Eine CD kauft man sich für 14,95 Euro und dann kann man die hören bis zum Abwinken. Klar ist das eine andere Situation, aber trotzdem. Wenn man in ein Konzert geht, legt man das dreifache hin, um zwei Stunden Musik zu hören. Das ganze mal zwei, weil man vielleicht zu zweit geht, und dann noch 'ne Bockwurst und ein kleines Geschenk und schon ist ein Hunderter weg. Es gibt auch viele Leute, die für ein Ticket 100 Euro oder mehr verlangen und da hört es für mich dann auf. Ich weiß wie sowas zustande kommt. Die Produktionen sind immer stattlicher geworden. Man konkurriert mit amerikanischen oder englischen Bands, die weltweit touren und viel mehr Gigs spielen und die Kosten viel leichter kompensieren. Wenn man weltweit 150 Konzerte spielt, dann verteilen sich die Produktionskosten ganz anders auf einzelne Konzerte als das mit einer Produktion mit 30 Konzerten passiert. Die sind dann in der Lage richtig zu klotzen. Ein Ottonormalverbraucher geht in ein Konzert und sagt, ja aber bei Pink da war alles viel größer und toller. Damit müssen wir mithalten, wenn wir dabei bleiben wollen. Und an wen leitet man die Kosten weiter? Letztendlich an den Endverbraucher. Wie weit geht man da, wo ist die Schmerzgrenze? Mein Publikum ist eines, das es nicht so dick hat, zumindest viele nicht. Unsere Produktionen haben sich auch entwickelt. Wir hatten bei der letzten Tabaluga-Tournee 17 38-Tonner mit Equipment, 180 Leute, die unterwegs sind. Und es war eine Tour mit schwarzen Zahlen. Aber da haben wir uns die Nächte um die Ohren geschlagen und überlegt, wie wir die Preise niedrig halten. Da muss ich sagen, da hat Peter Schwenkow eine tolle Arbeit geleistet.


Wie darf man sich das vorstellen?
Wir sitzen stundenlang, tagelang und hauen uns die Dinger um die Ohren. Ich hatte ja die Produktion zu verantworten und wir hatten immense Produktionskosten. Mein Team und ich hatten so etwas noch nie zuvor gemacht. Peter Schwenkow hat gesagt so und so viel kann ich euch anbieten, du musst damit klar kommen. Geht es darüber hinaus, it's your business, du hast auch 'ne Bank. Insofern sind wir da Partner und gehen zusammen raus. Normalerweise wäre es beim LEA nur sein Preis gewesen, ich wäre nur der Musiker gewesen, der ihm seinen Auftritt mit einem Lied garniert. Aber so habe ich beim LEA auch für mich selbst gespielt.


Sind Sie wehmütig, dass es mit "Tabaluga" zu Ende gegangen ist?
Nein. Wir haben ja Möglichkeit nachzulegen, mit Rock'n'Roll. Mit Rock'n'Roll habe ich angefangen, Tabaluga kam später. Der verschwindet auch nicht aus unserem Leben. In der Stiftung findet er jeden Tag statt und klopft uns auf die Finger. Ich arbeitet viel mehr für die Stiftung als für die Musik. Insofern habe ich jeden Tag mit Tabaluga zu tun. Ich gehe nicht ins Bett ohne was mit Tabaluga gehabt zu haben. (lacht) Als wir mit der Stiftung angefangen haben, gab es auch Stimmen, die fragten, ob das alles echt ist. Die wurden im Laufe der Jahre immer weniger, es gibt sie zum Teil heute noch. Damit kann ich gut leben, angesichts der 1000 Kinder, die wir pro Jahr beherbergen und der Arbeit, die mein Team und ich machen.


Mit dem Riesen-Erfolg von Tabaluga haben Sie anfangs sicherlich auch nicht gerechnet, oder?
Als wir Tabaluga gestartet haben, die erste Veranstaltung, hier in der Frankfurter Festhalle, schlotterten uns die Knie. Kein Mensch wusste, ob das gut geht. Ich kam aus dem Rock'n'Roll, eben mutiert vom Schlager, dann plötzlich Märchenonkel. Ich dachte mir irgendwer steht bestimmt schon mit einer großen Säge da und setzt bei mir am Schienbein an. Aber es ging gut, weil die Leute es gut fanden. Aber das war nicht abzusehen.


Wie haben Sie die Gaststars für Tabaluga gewählt?
Die Beispiele von früher haben uns gezeigt, dass es noch ziemlich viele Typen wie uns gibt, die gerne in den Sandkasten steigen, auch wenn sie nicht so aussehen. Udo Lindenberg als Pechvogel zum Beispiel, [singt] "Ich bin der Pechvoge..." – total witzig! Und dann haben wir uns überlegt, wer könnte so etwas gut spielen. Dann habe ich telefoniert. „Tim [Bendzko, Anm. d. Red.], kannst du dir vorstellen mit einem Kuckuckskostüm – wo dich kein Mensch erkennt, by the way – auf die Bühne zu gehen, würdest du das machen?“ Und er sagte „Klasse, mach ich sofort!“. Zu Uwe Ochsenknecht hab ich gesagt: „Uwe, die Chamäleon-Dame, die musst du spielen“ und er hat das fantastisch gemacht.


Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung beim LEA [in der Kategorie "Show des Jahres (für "Tabaluga und die Zeichen der Zeit")?
Der LEA hat in den vergangenen Jahren an Gewicht zugenommen – als Preis. Das ist meine subjektive Wahrnehmung. Und insofern wird auch die Veranstaltung immer substanzieller. Ich meine, der Echo muss sich in Acht nehmen. Es ist ein Preis, der in der Nähe der Veranstalter stattfindet, der sich emanzipiert hat. Der LEA kam irgendwann durch die kalte Küche und jetzt ist es ein veritabler Preis. Wer ihn bekommt, nimmt was Gutes mit nach Hause. Wer ihn bekommt, wird von allen ziemlich beobachtet. Eine Tour der Größenordnung, wie wir sie hatten, ist ein großer Kraftakt, die vorzubereiten, durchzuziehen, die Logistik, das Management, die Vernetzung. Alle diese Schritte, die einen begleiten, bevor man überhaupt auf der Bühne steht. Ein Feedback in Form eines Preises zu bekommen, in der Oberliga stattzufinden, das ist was Gutes. Das lässt auch einen Rückschluss zu auf die Bewertung draußen – Sponsoren, die Medien.


Wie hat sich die Live-Branche Ihrer Meinung nach in den letzten Jahrzehnten verändert?
Die Entwicklung der Tonträgerbranche hat auch das Live Entertainment beeinflusst – die Genre-Vielfalt ist viel größer, die Produktionen sind viel größer, Massen von Menschen. Ich finde diese Vielfalt erfrischend. Auch wenn für den einzelnen, der unterwegs ist, nicht mehr der Kuchen übrig bleibt, wie vor 30, 40 Jahren. Damals gab es richtig fette Sahnetorten, die sich einige wenige untereinander aufgeteilt und die Stücke mit nach Hause genommen haben. Heute ist die Sahne weg, übrig bleiben ein paar Krümel, aber dafür ziemlich viele. Die muss man halt sammeln, emsig sein und dann geht das schon. Aber für die Kreativität ist das besser. Zuviel Sahne, wie man weiß, ich auf Dauer auch nicht gut. Wichtig sind auch die Geschäftspartner. Man muss sich auf die Suche machen und Ausdauer haben, denn es kann lange dauern, bis man die richtigen Partner gefunden hat. Manche haben auch Glück, gehen aus der Haustür raus und laufen in einen solchen hinein. Ich zum Beispiel hatte sowohl Pech als auch Glück. Im Grunde genommen hatte ich Glück, sonst würde ich nicht hier sitzen. Ich hatte sogar großes Glück. Es gab Kurven, die nicht nötig waren, aber es gab auch sehr viele gute Leute. Fritz Rau zum Beispiel, etwas besseres hätte mir nicht passieren können.

 

Autoren: Ivana Dragila, Martina Gabric

Quelle: Musikmarkt - 10.06.2013

 

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