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Ronny Weiland im Interview mit Musikmarkt: "Auch mit einer tiefen Stimme kann man schief singen"

Posted by admin (admin) on 14.12.2011 at 08:45
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Ronny Weiland im Interview mit Musikmarkt: "Auch mit einer tiefen Stimme kann man schief singen"


 


Ronny Weiland im Interview: "Dass die Musik einmal mein Beruf werden würde, war nicht abzusehen" (Foto: Tristan Ladwein)

 

 

Auf einer Geburtstagsparty nahm alles seinen Anfang... (Foto Tristan Ladwein)

 

 

Am 25. November erschien Ronny Weilands Debütalbum "Russische Seele" über Ariola / Sony Music. Darauf interpretiert der Mann mit der tiefen Bass-Stimme russiche Klassiker mit deutschen Texten. Im Interview sprach Ronny Weiland über die Entstehung von "Russische Seele", seine Faszination für Russland und sogar über Mode.


Schnell wird klar: Wir haben es hier nicht einfach nur mit einem Ivan-Rebroff-Double zu tun. Aber: Wie hat eigentlich alles angefangen?

Ich habe mit sechs Jahren Geige gelernt. Zwei Jahre später wechselte ich zur Querflöte und spielte im Spielmannszug, einem Musikverein bei uns im Ort. Meine musikalische Welt bestand damals also aus Marschmusik.


War dir damals schon klar, dass du irgendwann in eine ganz andere Richtung gehen willst?

Nein, es hat sehr viel Spass gemacht, war aber ein Hobby. Dass die Musik einmal mein Beruf werden würde, war nicht abzusehen.


Wann kam der Punkt, als du gemerkt hast, dass du gerade mit deiner Stimme etwas Besonderes machen kannst?

Das war auf einer Geburtstagsfeier im Jahr 2004. Ein Kumpel aus dem Spielmannszug feierte seinen Sechzigsten. Zu solchen Anlässen lässt man sich ja gerne mal den ein oder anderen Gag einfallen, also hab ich aus Spass zwei Songs von Ivan Rebroff einstudiert. Die Resonanz war überwältigend, womit ich nie gerechnet hätte. Viele haben mich gefragt: "Wieso machst du da nicht mehr draus?" So ging das los: Ich habe mich daraufhin bei der Musikschule Weimar vorgestellt und zunächst drei Monate Gesangunterricht bei einer Opernsängerin aus Leipzig erhalten. Als sie zurück nach Leipzig musste, verwies sie mich auf Wolfang Schiller aus Erfurt – ein renommierter Gesangslehrer, der mich zuerst gar nicht nehmen wollte, weil er so viel zu tun hatte. Als ich ihn aber besuchte und vorsang, war er so begeistert, dass wir die Sache gleich angepackt haben. Diese Zeit war sehr interessant für mich und ich habe immer mehr Gefallen am Gesang gefunden.


Ist es schwierig, die ganz tiefen Töne zu treffen?

Hmm, eigentlich nicht. Ich musste mir die Stimme ja nicht antrainieren, sondern verdanke sie der Natur. Ich war beim HNO-Arzt, weil ich mich erkältet hatte und wissen wollte, ob ich meine Stimme schonen sollte. Als er mich untersucht hatte, wollte er wissen, ob ich überhaupt wisse, weshalb ich so eine tiefe Stimme habe. Als ich verneinte, erklärte er mir, es liege an meinen großen Stimmlippen. Eigentlich eine "Fehlbildung"...


...über die man nur froh sein kann.

Auf jeden Fall (lacht).


Wie liefen die Aufnahmen für dein Debütalbum „Russische Seele“?

Es hat sehr viel Spass gemacht. An der Stelle möchte ich anmerken, dass es heutzutage ja Möglichkeiten gibt, technisch viel aus einem Album und besonders der Stimme herauszuholen. Für uns war die oberste Prämisse jedoch, ein Album zu produzieren, an dem technisch kaum geschraubt wird. Außer ein bisschen Hall für die Atmosphäre wurde an meiner Stimme nichts verändert. Darauf sind wir schon stolz.


Das hätte ich nach unserer Begrüßung ohnehin ausgeschlossen. Deine Stimme ist wirklich unglaublich tief.

Ja, aber selbst mit einer tiefen Stimme kann man schief singen, darauf wollte ich hinaus (lacht).


Wir lange habt ihr insgesamt an „Russische Seele“ gearbeitet?

Das Einsingen an sich ging relativ schnell. Die Vorarbeit zog sich über ein halbes Jahr hin, angefangen bei der Titelauswahl, über die Produktion der Musik bis hin zum Schreiben der Texte.


Die Melodien auf deinem Album sind fast alle Klassiker. Mit wem hast du das Album produziert?

Da wäre einmal Mario Frank, ein sehr guter Produzent aus Schmalkalden, der auch alle Songs arrangiert hat. Die traditionellen russischen Instrumente wie Balalaika und Domra wurden von Ivan Rebroffs Ensemble Sabawa eingespielt. Drumherum wurde dann das Orchester gebaut, wobei auch die meisten Orchester-Instrumente live eingespielt wurden, etwa Oboe, Klarinette, Flöte und verschiedene Trommeln. Auch darüber bin ich sehr froh.


Die Texte sind dagegen überwiegen neu verfasst worden.

Überwiegend, ja. Es sind auch traditionelle Titel auf "Russische Seele" zu finden. Bei dem russischen Volkslied "Das Glöckchen" beispielsweise, habe ich die deutschen Übersetzungen weitergereicht und gefragt, ob es möglich ist, sie so umzuschreiben, dass man sie singen kann. Andere Songs wurden komplett neu für mich geschrieben, etwa der Titelsong "Die russische Seele" – da ist übrigens auch die Komposition komplett neu. Den "Walzer Nr. 2" kennen bestimmt die Meisten, allerdings nur als Instrumental. Ich fand das das Stück so schön, dass mir die Idee kam, einen Text darüber zu singen. Heinz Klockhaus hat sich der Herausforderung angenommen und mittlerweile werde ich von Leuten gefragt, ob der "Walzer Nr. 2" nicht schon immer mit Text gedacht war (lacht).


Wie viele Texter hattest du an deiner Seite?

Heinz Klockhaus und Bernd Meinunger. Für einen Titel habe ich den Text selbst beigesteuert.


Woher die Faszination für Russland?

Ich bin ja in den DDR aufgewachsen und hatte in meiner Kindheit einige Begegnungen mit russischen Soldaten. Mir gefielen die traditionellen russischen Geschichten und Märchenverfilmungen. In der Schule lernten wir russisch. Als ich 2004 zum Gesang kam, frischte ich meine Kenntnisse in der Abendschule auf. Und von der Stimme her hat es sich einfach angeboten, diese mystischen, teilweise schwermütigen Lieder zu singen. Ein Bass kann diese Songs ganz anders interpretieren als etwa ein Tenor. Ich selber war zwar noch nicht in Russland, aber jedes Mal wenn ich beispielsweise eine Beitrag über das Land im Fernsehen sehe, fange ich zu träumen an. Für mich ist die "Russische Seele" ein kleines Dorf, tief verschneit mit einer Holzhütte, in der eine Familie vor dem Kamin zusammensitzt und Tee trinkt. Nicht zu vergessen die vielen russischen Leute, die ich bereits kennenlernen durfte und von denen die meisten faszinierende Persönlichkeiten waren.


Du hattest bist schon als Kind russischen Soldaten begegnet? Das klingt gefährlich.

Ganz und gar nicht. Bei uns in den Städten waren ja teilweise russische Soldaten in den Kasernen stationiert. Hin und wieder gab es außerhalb der Stadt Militärübungen. Wir sind auf unsere Fahrräder gestiegen und dorthin gefahren. Wir durften aus der Gulaschkanone kosten und bekamen Abzeichen verliehen. Die ersten Begegnungen waren also gleich von einer Herzlichkeit und Wärme geprägt.


Ich hörte Russisch ist extrem schwer. War es nicht mühsam viele Jahre später die Sprache wieder aufzufrischen?

Ich spreche jetzt auch nicht fließend russisch. Mir ging es vor allem um die Phonetik. Dabei erhalte ich auch viel Unterstützung von Ivan Rebroffs Ensemble, die ja alle aus Russland kommen und von denen ich viel über die Aussprache lerne – mit dem Effekt, dass sich russische Besucher nach dem Konzert oft wundern, warum ich nicht auch fließend russisch spreche. Der Gesang sei ja schon mal akzentfrei. Ich beschäftige mich jetzt natürlich noch intensiver mit der Sprache, aber es ist – sagen wir mal – nicht leicht.


"Russische Seele" erscheint über Ariola. Wie ist die Zusammenarbeit?

Sehr gut. Dass man sich in dem Stil um einen jungen Künstler kümmert, daran habe ich bis vor einiger Zeit kaum noch geglaubt. Der Markt hat sich gegenüber früher ja verändert und dass heutzutage noch jemand bereit ist, in einen Newcomer zu investieren, hatte ich für mich eigentlich schon abgeschrieben. Doch 2009 wurde mein heutiges Management Depro Verlag auf mich aufmerksam, Sie unterstützten mich und stellten die Verbindung zu Ariola her. Deshalb bin ich sehr dankbar für alles, was jetzt geschieht. Das habe ich in dem Maße nicht erwartet.


Das Bewusstsein, dass es sich lohnt, Zeit und Geld in ein viel versprechendes Talent zu investieren, scheint zurück zu kehren...

Es ist natürlich wünschenswert, dass nicht alle Künstler dank irgendwelcher Casting-Shows über Nacht berühmt und genauso schnell wieder fallen gelassen werden. Wir haben uns schon immer um Konzerte, TV-Termine und alles, was drumherum geschieht, gekümmert. Mit Ariola können wir das noch viel intensiver machen. Manche Künstler werden nach oben katapultiert und auf eine Bühne gestellt, ohne mit dem Publikum umgehen oder moderieren zu können. Auch das ist, denke ich, nicht das Ziel. Auf lange Sicht beständige Musik zu produzieren, das ist mein Ziel.


Was steht also als nächstes an?

Die Alpenländische Weihnacht: Ich gehe mit Marianne & Michael, Stefanie und Eberhard Hertel, Stefan Mross sowie Belsy & Florian auf Tour durch mehrere Städte – eine einmalige Chance, um von einem großen Publikum wahrgenommen zu werden. Im Januar ist eine Tour mit Monika Martin geplant – Kirchenkonzerte, aber auch Hallen. Gemeinsam mit Michael Hirte war ich ja schon auf Kirchenkonzert- und Weihnachtstournee. Das sind alles Dinge, die ich alleine niemals geschafft hätte. Es ist ein Zusammenspiel zwischen Depro Verlag GmbH – meinem Management –, Ariola und mir.


Das ist das Besondere an Kirchenkonzerten?

Die Stimmung. Schätzungsweise 80 Prozent der Leute kennen einen nicht und gehen mit einer bestimmten Erwartung in das Konzert. Man tritt vor das Publikum, das Ensemble spielt die ersten Klänge von "Abendglocken". Wenn man dann Anfängt zu singen und sieht, wie sich Leute über die Arme streifen, weil sie eine Gänsehaut kriegen, dann ist das schon ein ganz besonderes Erlebnis.


Begleitet dich das Ivan-Rebroff-Ensemble Sabawa auch auf der kommenden Tour?

Nein, leider nicht. Ich bin ja sozusagen erst dazugestoßen. Vielleicht klingen die Stücke nicht ganz so traditionell, weil keine Balalaikas oder ähnliches dabei sind, dennoch ist die Mario-Frank-Band ein mehr als würdiger Ersatz.


Aber du arbeitest weiterhin mit Sabawa zusammen?

Auf jeden Fall.


Könnte man also sagen, du bist ein Erbe angetreten?

So wird das gerne gesehen. Es kommt oft die Frage, "sind Sie der Nachfolger", oder dergleichen. Sagen wir mal so: Ich bin in einer Nische, die von Ivan Rebroff bedient wurde. Ich bin, wie er, ein Bass. Wenn ich anfange zu singen, denken die Leute natürlich an Ivan Rebroff. Das dreht sich allerdings ganz schnell. Spätesten bei einem meiner Konzerte wird man meinen eigenen Charakter erleben. Man sollte nicht aufgrund von ein oder zwei Songs urteilen, die man im Fernsehen sieht und die Ivan Rebroff vielleicht auch interpretiert hat. Das sind nur Momentaufnahmen. Wer mein Konzert besucht, der geht raus und sagt: "Ich war bei Ronny Weiland und nicht bei einem Ivan-Rebroff-Double." Ich war eine zeitlang sehr gespannt, wie die Medien auf die Gedenktournee reagieren würden, die ich zu Ehren Ivan Rebroffs mit seinem Ensemble gespielt habe. Ich habe die Kritiken teilweise sehnsüchtig erwartet, weil ich wissen wollte, ob ich als bloßer Abklatsch bezeichnet werde. Dies war aber gar nicht der Fall, was mich zugegeben auch ein bisschen Stolz gemacht hat.


Es muss schön sein, mit diesen Musikern unterwegs zu sein.

Auf jeden Fall. Es ist eine sehr große Ehre für mich. Als ich das Ensemble zum ersten Mal gehört habe, war natürlich nicht abzusehen, dass ich jemals gemeinsam mit ihnen spielen werde. Damals träumte ich aber davon, nur ein einziges Mal einen Titel mit ihnen spielen zu dürfen. Und heute sind es ganze Konzerte, bei denen sie mich begleiten. Das ist eine tolle Sache.


Wie trägt sich eigentlich die russische Mode? Bequem?

Es gibt natürlich Unterschiede: Die lockere Folklore-Kleidung ist sehr bequem. Die Uniformen sind zwar kein Jogging-Anzug, aber es ist schon okay (lacht).

 

Ronny Weiland "Russische Seele" (Ariola/Sony Music), VÖ: 25. November 2011

 

Autor: Gideon Gottfried
Quelle: Musikmarkt - 28.11.2011

 

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