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Silly im Interview mit Musikmarkt: "Das Album hat uns noch mehr zusammengeschweißt"

Posted by admin (admin) on 27.03.2013 at 10:00
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Silly im Interview mit Musikmarkt: "Das Album hat uns noch mehr zusammengeschweißt"

 


Silly melden sich mit "Kopf an Kopf" zurück (Foto: Jonny Soares)

 

 

 

 


"Kopf an Kopf" von Silly erscheint am 22. März über Universal Music

 

 


Die Berliner Rockband Silly kündigt mit "Kopf an Kopf" den Nachfolger ihres Platinalbums "Alles Rot" an. Kopf an Kopf sprechen die Silly-Musiker über ihr neues Album, das am 22. März über Universal Music erscheint.

 

 

Musikmarkt: Als 2010 "Alles Rot" erschien, das erste Silly-Album seit dem Tod von Sängerin Tamara Danz 1996, begann für Silly eine Art Neuanfang. Beginnt jetzt die neue Normalität?
Uwe Hassbecker: "Kopf an Kopf" ist Fortsetzung und Weiterentwicklung. Das Spektrum der Musik ist wieder groß, es gibt viel zu entdecken. Vielleicht ist es etwas jünger und moderner geworden. Und weil Anna diesmal einen Großteil der Texte schrieb, hat das Album auch eine etwas andere Farbe bekommen. Was insofern typisch für Silly ist, weil bei uns eigentlich kein Album wie das vorherige klingt.

"Alles Rot" verkaufte sich blendend. Hat das den Druck verringert oder doch eher erhöht?
Uwe Hassbecker: Man kann sich natürlich immer vornehmen, keinen Druck zu haben, schon weil das fürs Songschreiben besser ist. Aber im Hinterkopf gibt es ihn, das kannst du nicht völlig ausblenden.


Weil man auch weiß, die Plattenfirma ist an einer Wiederholung des Erfolgs überaus interessiert?
Anna Loos: Viele denken vielleicht, dass über die Plattenfirma Druck ausgeübt wird. Aber die Leute von Universal Music haben uns in Ruhe gelassen, wie schon bei der ersten Platte. Als wir unser fertiges Album in unserem Studio all den Menschen vom Label vorspielten, die für die Platte die Trommel rühren sollen, wussten die meisten überhaupt nicht, was auf sie zukommt. Am Ende waren sie total begeistert. Wir sind ein gutes Team und das war ein toller Abend für alle.
Ritchie Barton: Sicherlich setzen wir uns auch mal mit einigen Leuten der Plattenfirma zusammen und beraten etwas. Zum Beispiel bei der Entscheidung, welches die erste Single sein soll. Und natürlich haben sich der A&R und der Produktmanager zwischendurch auch mal den jeweils aktuellen Stand im Studio angehört. Bei der Songauswahl und Produktion hatten wir völlig freie Hand. Man hört ja von anderen Bands immer mal wieder, das Major-Companies das Heft in die Hand nehmen und sagen, wo lang geht. Das gab's bei uns so nicht.


Wie kann man in einer fast zwei Jahre dauernden Plattenproduktion die Spannung halten, wenn immer wieder andere Jobs dazwischen kommen – erst recht Hauptrollen im Film?
Anna Loos: Ach, die Spannung bleibt von ganz alleine hoch. Es ist ja nicht so, dass sich ein Song über Nacht schreibt und man danach vier Wochen nichts zu tun hat. Es ist ein langer Arbeitsprozess. Die Songs entwickeln sich von Tag zu Tag, genau wie ein Text. Seit Beginn der Studioarbeit war die Energie eigentlich nie abgerissen und am Ende war's wie immer. Wir dachten, wir schaffen es nicht, wollten nicht zum Ende kommen, weil immer noch eine tolle Idee dazu kam. Zum Beispiel wurde kurz vor dem Mastern ein Text umgeschmissen, an dem ich ein Jahr gearbeitet hatte, um letztlich festzustellen, dass die erste, ein Jahr alte Version, die beste war. So riss die Spannung nie ab.


Machte es keine Probleme, zwischen Studio und Filmset zu pendeln, wo man gedanklich in einem ganz anderen Stoff steckt?
Anna Loos: Ich bin nicht unbedingt eine Schauspielerin, die ein halbes Jahr vor Drehbeginn in der Rolle lebt und zu Hause nicht abschalten kann. Ich war sogar manchmal während meiner Wartezeiten beim Drehen mit der Musik und den Texten beschäftigt. Mit Ritchie habe ich mich auch schon mal im Wohnwagen am Set getroffen, um Demos zu machen.


Gab's solche Ausflüge auch nach Dresden, wo euer Bassist Jäcki als Professor an der Hochschule für Musik tätig ist?
Jäcki Reznicek: Nein. Ich bin zwar als Dozent für Bass an der Hochschule oft in Dresden, auf meine Arbeit am Album hatte das aber keine besondere Auswirkung. Man kann ja auch Ideen für einen Basspart per Mail hin und her schicken, das geht heutzutage alles.


Und dann trafen sich alle bei Euch im Studio, um Nägel mit Köpfen zu machen?
Jäcki Reznicek: So ungefähr. Auch wenn bei uns kein strenges Regime herrscht wie bei einer Amateurband, also Dienstag ist Probe und alle haben da zu sein, muss schon alles gut geplant sein. Das Studio ist das Zentrum für die Band.
Anna Loos: Dort ist schon so ein besonderer Spirit. Am Ende der Produktion, nachdem wir durch fünf andere Studios gezogen waren, habe ich festgestellt, dass ich hier am kreativsten bin.
Ritchie Barton: Wir hatten mehrere Studios ausprobiert, um zum Beispiel den richtigen Flügel-Klang zu finden. Das hat sich dann auch echt gelohnt. Wir wollten dieses Mal einfach weniger technologische Finessen und mehr die Natur-und die Vintage-Instrumente betonen.


Eure angesprochene Weiterentwicklung wird vor allem daran deutlich, dass die meisten Texte nicht mehr von Werner Karma, sondern von Anna Loos stammen. Herrschte darüber sofort Einverständnis?
Jäcki Reznicek: Ich fand es gleich toll, weil es immer gut ist, wenn jemand das singt, was aus seinem eigenen Herzen kommt. Was nicht bedeutet, dass es etwas gegen andere Texter spricht.
Ritchie Barton: Schon bei "Alles Rot" konnte man an Annas Textskizzen erkennen, dass es mit ihr als Texterin etwas werden kann. Dass sie gleich zehn Texte zu "Kopf an Kopf" beisteuert, hätte ich mir damals nicht vorstellen können.


Noch bei "Alles Rot" hatten Sie, Anna, Ihre eigenen Texte verworfen, weil sie nicht sillytypisch genug waren. Was hat sich seitdem geändert?
Anna Loos: Damals war für mich alles neu. Es war mein allererstes Album und unser erstes Gemeinsames als Band. Ich hatte genug zu tun, mich da reinzudenken: Wie singe ich einen Song, was will ich ausdrücken. Diesmal war mir wichtig, dass das, was ich singe, noch authentischer ist. Ich fühle mich seit "Alles Rot" noch zugehöriger zur Band. Zwar waren wir vorher schon ein paar Jahren gemeinsam unterwegs, aber das Album hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Heute, nach sieben gemeinsamen Jahen, stelle ich mir kaum noch die Frage, ob ein Gedanke von mir vielleicht kein richtiger Silly-Gedanke sein könnte. Ich rede viel mit den Jungs und weiß dadurch noch besser, was uns verbindet.


Die eigenen Gedanken singen – war das der letzte Schritt, um aus dem Schatten der Vorgängerin Tamara Danz zu treten?
Anna Loos: Ich denke schon, dass es eine typische Konsequenz für einen Sänger oder eine Sängerin in einer Band ist, die eigenen Gedanken auszudrücken. Tamara hat auch lange Zeit Lieder gesungen, die sie nicht geschrieben hatte, bis sie irgendwann merkte, dass Selbstverfasstes ihre Lieder noch ein Stück authentischer und emotionaler macht. Mein Lieblingsalbum von Silly ist "Paradies", bei dem alle Texte von ihr sind. Das berührt mich unglaublich. Es ist grundsätzlich nie falsch, wenn ein Sänger seine Texte selbst schreibt, vorausgesetzt, er kann das. Mich hat dabei übrigens der Musiker und Texter Alexander Robert Freund (von der Kölner Band P:lot, Anm. d. Red.) sehr unterstützt.


Ihr Mann Jan Josef Liefers ist selbst Musiker. Durfte er zu Hause seine Meinung zu Ihren Songtexten sagen oder gar Ratschläge geben?
Anna Loos: Klar. Seine Band arbeitet ja auch gerade an einem neuen Album. Er hat sogar zu mir gesagt: Schreib doch auch mal für mich ein paar Texte. Leider hab' ich keine Zeit, ich habe schon mit unseren Dingen genug zu tun.


Wie groß war die Versuchung, nach dem Charterfolg von "Alles Rot", noch mehr auf das Massenpublikum zuzugehen?
Anna Loos: Alles, was wir denken und fühlen, steckt in unserer Musik. Ich höre nicht nur abgefahrenen Free Jazz und Punkrock, sondern auch populäre Musik. Mit einigen Popmelodien verbinde ich Teile meines Lebens, die habe ich für immer im Ohr. Was sollte daran anstößig sein, und was ist schlimm, Populärmusik zu machen? Am Ende muss ein Song einfach aus sich heraus stimmen. Wenn das, was wir fühlen und denken, die Leute erreicht, ist das toll. Wir wollen doch mit unseren Songs Menschen berühren und zum Nachdenken anregen.
Ritchie Barton: Wenn wir ganz speziell auf ein möglichst breites Publikum schielen würden, würden sich unsere Alben anders anhören. Wir wissen aber auch, dass sich bestimmte Inhalte besser über populäre Formen transportieren. Wir haben in der Rückschau auf "Alles rot" festgestellt, dass einem nächsten Album etwas mehr Leichtigkeit – nicht zu verwechseln mit Flachheit –, gar nicht schaden könnte. Ist ja immerhin auch eine Facette unseres Lebens. Das Umsetzen fällt uns komischerweise nicht so leicht wie das Kreieren einer gewissen "Schwere".


War es im Nachhinein auch eine richtige Entscheidung, sich nicht mehr an den Ostrock-Konzerten zu beteiligen, um neue Fankreise zu erschließen?
Anna Loos: Wir haben uns keineswegs da losgesagt. Wir waren beim Ostrock-Klassik-Projekt von Anfang dabei und haben die Konzerte sehr genossen. Zumal es vielen Freundschaften mit Kollegen in den anderen Bands gibt. Aber drei Jahre waren schlicht genug. Mit unserem Album "Alles Rot" wollten wir ja auch auf Tour gehen. Wir haben die ersten vier Jahre mit Silly unsere alten Songs gespielt und wollten mit "Alles Rot" unbedingt den Schritt weitergehen ins Hier und Jetzt. Dass unsere Wurzeln in der DDR liegen und die Band geprägt haben, darauf sind wir stolz. Aber heute ist 2013 und das Ost-West-Aufgeteile geht mir total auf den Zeiger.
Uwe Hassbecker: Eines war uns immer klar: Wir wollten uns nie auf dieses Label Ostrock beschränken lassen. Der Begriff Ostrock wurde ja eine Zeit lang ein bisschen in die Schmuddelecke gestellt. Zum Glück ist das heute nicht mehr so, weil die Erkenntnis gereift ist, dass es viel mit Heimat, Identifikation und Jugenderlebnissen zu tun hat.

 

Die Silly-Tour 2013 beginnt am 12. Mai 2013 in Köln und führt die Band unter anderem nach Dortmund, Hamburg, Stuttgart, Saarbrücken und Cottbus. Als Veranstalter zeichnet Undercover Entertainment verantwortlich.

 

Silly - "Kopf an Kopf"-Tour 2013
12.05. Köln, E-Werk
14.05. Hannover, Capitol
15.05. Dortmund, FZW
17.05. Bremen, Aladin
18.05. Hamburg, Große Freiheit
21.05. Stuttgart, Theaterhaus
22.05. Saarbrücken, Garage
31.05. Neubrandenburg, Jahnsportforum
01.06. Cottbus, Stadthalle
07.06. Chemnitz, Wasserschloss Klaffenbach
08.06. Sondershausen, Thüringentag
14.06. Schwerin, Freilichtbühne
15.06. Dresden, Junge Garde
21.06. Leipzig, Parkbühne
21.07. München, "Tollwood Festival"
17.08. Berlin, Zitadelle

 

Autor: Gunnar Leue

Quelle: Musikmarkt - 19.03.2013
 
 

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