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Solidargemeinschaft in Gefahr: Wenn sich Künstler auf Kosten anderer bei der GVL-Ausschüttung bereichern wollen

Posted by admin (admin) on 29.11.2007 at 10:02
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Solidargemeinschaft in Gefahr: Wenn sich Künstler auf Kosten anderer bei der GVL-Ausschüttung bereichern wollen


Setzen sich für den Schutz der Solidargemeinschaft ein (von links): GVL-Justitiar Burkhard Sehm und GVL-Geschäftsführer Dr. Tilo Gerlach (Foto: Lothar Scholz)Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) muss immer wieder Missbräuche ihres Solidarsystems feststellen.

Jetzt will sie darüber stärker informieren und darauf aufmerksam machen, dass sich Künstler damit nicht nur der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen, sondern sich auch unsolidarisch gegenüber anderen Künstlern verhalten. Denn das, was der eine unrechtmäßigerweise mehr bei der GVL-Ausschüttung erhält, bekommt der andere weniger.


Regelmäßig zur Jahresmitte quellen die Postfächer der GVL über. Dann nämlich ist Einsendeschluss für die Nachweisbögen, in denen ausübende Künstler wie Musiker und Schauspieler jedes Jahr der GVL ihre Einnahmen melden, die sie aus der Vergabe von Erstverwertungsrechten erzielt haben. Das kann zum Beispiel die Gage eines Musikers für die Beteiligung an einer Studioproduktion sein oder der Vorschuss, den eine Band im Rahmen eines Künstlervertrages von einem Label erhalten hat. Um die Höhe der Künstlerhonorare und die Leistung, für die sie gezahlt wurden, zu belegen, reichen Musiker ergänzend zum Nachweisbogen Studioquittungen, Künstlerverträge, Lizenzabrechnungen, Musterexemplare produzierter CDs und ähnliches ein. In diesem Jahr landeten auf den Schreibtischen der neun Sachbearbeiter der GVL insgesamt über 40 000 Nachweisbögen. Sie geben die Angaben in die EDV ein und prüfen sie auf Plausibilität. Zuweilen werden Unstimmigkeiten in den Nachweisbögen entdeckt, wenn zum Beispiel ein unverhältnismäßig hohes Honorar gezahlt oder eine Gage für eine CD-Produktion, die gar nicht stattfand, gemeldet wurde. In diesen Fällen könnte es sich um ein missbräuchliches Anmeldverhalten handeln. Angaben über Erstverwertungsentgelte werden erhöht, um mehr Tantiemen für die Zweitverwertung wie beispielsweisel der Sendung oder öffentlichen Wiedergabe einer Musikaufnahme von der GVL zu erhalten. Denn bei der GVL ist die Ausschüttung der Künstler-Tantiemen unmittelbar an die Erstverwertungsentgelte geknüpft.


"Es gibt Musiker, für die liegt es nahe, Ausfälle in der Erstverwertungsebene über die Zweitverwertungsebene zu kompensieren." Dem entsprechend manipulieren sie ihre Angaben über erhaltene Honorare. Diese Erfahrung hat Burkhard Sehm, Justitiar bei der GVL gemacht. Und Tilo Gerlach, Geschäftsführer der GVL, ergänzt: "Das Verteilungssystem funktioniert wie eine umgekehrte Steuererklärung. Man reicht ähnliche Unterlagen ein, doch statt Geld zu zahlen, bekommt man Geld. Die Steuerhinterziehung wird oft als Kavaliersdelikt betrachtet. Das wird von einigen wenigen schwarzen Schafen offenbar auch auf die GVL übertragen." Problematisch sei, so Gerlach, dass die Solidargemeinschaft für den Einzelnen nicht unbedingt erkennbar ist. "Wenn ein Künstler aufgrund einer falschen Anmeldung von der GVL 4000 Euro zuviel erhält, dann wird dieser Betrag 40 000 Berechtigten bei der Ausschüttung abgezogen. Das bedeutet für jeden lediglich einen Fehlbetrag von zehn Cent."


Bei dem Missbrauch des Solidarsystems hebt Gerlach das Erstellen und Einreichen von Gefälligkeitsbescheinigungen hervor, wodurch in der Regel die Strafrechtstatbestände der Urkundenfälschung und des Betrugs erfüllt würden. Als Beispiel für eine Gefälligkeitsbescheinigung nennt er das wahrheitswidrige Quittieren eines überhöhten Honorars, das in keinem Verhältnis zur erbrachten Leistung steht. "Unsere Sachbearbeiter haben ein sehr gutes Gespür dafür, ob ein Honorar marktüblich ist. Natürlich gibt es den Promibonus. Aber auch der lässt sich kalkulieren. Insofern fällt hier schon auf, wenn eine Quittung aus dem Rahmen fällt." Strafrechtlich seien überhöhte Entgelte erst einmal nicht zu beanstanden, sofern diese tatsächlich gezahlt worden sind und bei dem Künstler verbleiben. Jede Form von Rücküberweisung bedeutet allerdings Betrug, was auch vorkomme. Bei dem Verdacht auf überhöhte Anmeldungen oder Unregelmäßigkeiten habe die GVL das Recht, sich das Außenverhältnis des entsprechenden Berechtigten darlegen zu lassen. "Wir fragen den Hersteller oder den Produzenten, der eine entsprechende Zahlung geleistet hat, wie sich das an den Künstler gezahlte Honorar zusammensetzt", erklärt Sehm. Da habe er öfter die Erfahrung gemacht, dass das Ganze in sich zusammenfalle. Bei Falschangaben wird der entsprechende Künstler von der Ausschüttung ausgeschlossen. Je nach Ausmaß des Betruges kann er auch von allen künftigen Ausschüttungen ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund des Wahrnehmungszwangs, nach dem die GVL gesetzlich verpflichtet ist, die Rechte eines ausübenden Künstlers wahrzunehmen, ist das allerdings nur in Ausnahmefällen möglich.


Wenn Quittungen und Lizenzabrechungen eingereicht werden, die von einem Hersteller gar nicht ausgestellt wurden, dann handele es sich ebenfalls um Urkundenfälschung, erklärt Gerlach. "Da wird zum Beispiel das Renommee eines unbescholtenen Herstellers benutzt und eine Zahlung fingiert, die so nicht geleistet wurde." Nicht nur durch eine Prüfung des Außenverhältnisses eines Künstlers kommen solche Fälle ans Tageslicht. "In einem aktuellen Strafverfahren, in dem es Freiheitsstrafen gab, wurden Honorarbögen eingereicht, die mit Stempeln eines Herstellers versehen waren, die eine veraltete Adresse enthielten", berichtet Sehm. Ein Anruf bei dem Hersteller genügte, um herauszufinden, dass er den Honorarbogen nie ausgestellt hat.


Die jährlich gemeldeten Einnahmen eines Künstlers werden von der GVL gespeichert. Kommt es in einem Jahr plötzlich zu einem gravierenden Anstieg der Erstverwertungsentgelte könnte das ein Indiz für einen Betrug sein. Ein weiteres wäre, wenn die im Rahmen einer CD-Produktion gezahlte Vergütung nicht zu der eingereichten Muster-CD passt. Wenn diese zum Beispiel in einer hohen Stückzahl hergestellt worden sein soll, aber offensichtlich selbst gebrannt wurde. Neben der Plausibilitätsprüfung durch den Sachbearbeiter gibt es auch unmotivierte Prüfungen, in denen per Zufallsverfahren ein Nachweisbogen zur Kontrolle ausgewählt wird.


"Natürlich gibt es kein Verteilungssystem, das gegen jeden Missbrauch mit hoher krimineller Energie gefeit ist", erklärt Gerlach. "Das zeigen auch unsere Erfahrungen mit anderen ausländischen Verteilungssystemen." Falsche Anmeldungen erhöhen zum einen den Kostenaufwand wegen der erforderlichen Prüfungen und ziehen zum anderen den Berechtigten Erlöse ab.


Deshalb rät Gerlach jedem Einzelnen der Solidargemeinschaft GVL im Eigeninteresse "Optimierungen" der geschilderten Art zu vermeiden.

 

Autor:  ls
Quelle: musikmarkt - 22.11.2007

 

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