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Udo Jürgens: viel Spaß, wenig Trallala

Posted by admin (admin) on 19.02.2014 at 04:35
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Udo Jürgens: viel Spaß, wenig Trallala
 

 


Gemeinsam mit Hape Kerkeling plauderte Udo Jürgens über sein neues Album "Mitten im Leben" (Foto: Gunnar Leue)

 

 


 
Auf seinem neuen Album "Mitten im Leben" singt Udo Jürgens über Freiheit, Liebe, NSA-Skandal – und obendrein „plötzlich gegen Männer“ (Foto: Gunnar Leue)

 

„Der Mann ist das Problem“, heißt die Single-Auskopplung aus dem neuen Album „Mitten im Leben“ von Udo Jürgens, das der Sänger am Montag in Berlin präsentierte. Auch wenn er die Aussage durchaus auch auf sich als Mensch bezieht, sein Label Ariola dürfte den Künstler Udo Jürgens kaum so einschätzen.

 

Das neue Album, das er im Hotel de Rome vorstellte, ist bereits das 53. in seiner Karriere. Und wie es aussieht, wird es seiner langen Karriere ein weiteres Erfolgskapitel hinzufügen. Schließlich haben die zwölf Songs, mit Produzent Peter Wagner in den Hansa Studios Berlin, in Potsdam und Köln erstellt, alle jürgenstypischen Charakteristika, die seine Fans so lieben: Musikalisch sind sie voller Schlagerpopappeal und textlich zwischen altersweiser Emotionalität und Alltagsphilosophie angesiedelt. Der 79-Jährige singt über Freiheit, Liebe, NSA-Skandal – und obendrein „plötzlich gegen Männer“, wie die „Bild“-Zeitung (schein)irritiert feststellte.


In Wahrheit singt Udo Jürgens auch in „Der Mann ist das Problem“ lediglich über die Realität des Lebens, in der der Mann „zwar sein Auto sauber hält, aber die Ozeane verdreckt“. Der Mann ist der Fehler im System - „doch die Frauen lieben ihn trotzdem“. Das ist die Kunst des Udo Jürgens: Er liest den Männern die Leviten, jedoch mit charmantem Ausklang und deshalb lieben ihn auch die Männer – trotzdem. Zu denen gehört auch Hape Kerkeling, der die Albumpräsentation moderierte und Udo Jürgens als „größten Künstler deutscher Zunge“ ankündigte. Der Gepriesene nahm die Huld unkommentiert zur Kenntnis – was sollte er auch dazu sagen – und gab freimütig Auskunft über seine Gefühle und Erwartungen in Bezug auf sein neuestes Werk. Das sei „eine Mischung aus romantischen, swingenden und frechen Liedern“, aufgelockert von vier Zwischenspielen, damit der Hörer zwischen den sehr persönlichen Gedanken in den Liedern quasi Luft zum Nachempfinden holen kann.


Auch musikalisch hat sich Udo Jürgens in die Vollen gestürzt. Weil er seine Wurzeln im Jazz und in der klassischen Musik habe, sagt er, könne er es nicht lassen, immer mal sein Faible für sinfonische Musik zu bedienen. Er hat ein über 80-köpfiges Orchester engagiert und ein Violin-Solo von seinem Freund Julian Rachlin einspielen lassen. Das Lied „Das Leben bist du“ ist eine Art Breitwandschlagersinfonie mit pointierter Botschaft: Jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich, auch für das, was man nicht tut. Udo Jürgens hält es für eines der besten Lieder, das er je geschrieben hat.


Das Typische an Udo Jürgens Musik war immer, „Unausgewogenheiten“ zu thematisieren. Auch diesmal habe er wieder unbedingt zeitbezogene Titel aufs Album nehmen wollen, in denen er gesellschaftliche Miseren wie die Gläsernheit des onlinigen Menschen reflektiert. Wenn er fragt: „Wo sind Netzwerke denn sozial?“ formuliert er Fragen, die sich viele Leute stellen, aber von Schlagerkollegen lieber nicht in Unterhaltungsware verpackt werden.


Trotzdem verlässt Udo Jürgens nie den Grat, auf dem er sich als Entertainer bewegt. Bei allen Denkanstößen, am Ende will das Publikum unterhalten werden. Und Udo Jürgens zeigt sich hoffnungsvoll, dass seine Maxime – soviel Spaß wie möglich, sowenig Trallala wie nötig – beim Publikum erneut gut ankommt, wenn er im Herbst auf Tournee geht. Sogar einen neuen Abschlusssong hat er für die Konzerte: „Zehn nach elf“.


In Berlin zeigte er sich überhaupt sehr entspannt. Inzwischen könne er ohne Druck arbeiten, sagte er. „Früher musste ich in die Charts kommen, heute ist das anders.“ Auch wenn er natürlich davon träume, dass das Album abhebe. Das Wichtigste sei ihm jedoch „ein gutes Album mit guter Musik und guten Texten.“


Für ihn gehe es aber nicht mehr um das, was man Karriere nennt. „Die ist gemacht. Was ich jetzt noch mache oder machen darf, muss einfach gut sein, sonst hat es für mich überhaupt keinen Sinn mehr. Eine Platte, die ich heute rausbringe, muss besser sein als vor 20 Jahren.“

 

Autor: Gunnar Leue

Quelle: Musikmarkt - 18.02.2014

 

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